28 Januar 2006

BRASILIEN: RISIKEN UND CHANCEN

Ein neuer Rekord ist zu verzeichnen, am 27.1.2005 sank unser Länderrisiko auf 260 Punkte, der Dollar fiel auf 2,217 R$, der Schwarzmarktkurs oder weniger offensiv Parallelmarktkurs lag bei 2,463 R$, ein Agio von 11 % also wie in den alten Zeiten der Hochinflation und des gegängelten Kurses. Gute Zeiten für deutsche Exporteure und weniger gute für deutschen Investoren, die sich vor einiger Zeit noch billiger hatten einkaufen können. Ich meine natürlich Investitionen in Produktionsmittel, also aktive und keine stillen Beteiligungen, denn reine Finanzanlagen sind nach wie vor ein guter Tipp, der Ibovespa erreichte gestern 38.804 Punkte, ebenfalls ein Rekord.

Brasiliens Telekommunikationsminister bevorzugt offensichtlich den japanischen Digitalfernsehstandard, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Also, wer sich bei der Umstellung auf das Digitalfernsehen ein Geschäft verspricht, muß weiterhin abwarten und beobachten. Einfluß nehmen mit Sicherheit die Fernsehgesellschaften, die Fersehgerätehersteller und die Verbände, u.a. die Associação Brasileira de Radiodifusores - ABRA, die die Interessen der Fernsehsender Bandeirantes, SBT und Rede TV! vertritt.

Die Wahlen nähern sich und die Regierung macht den Geldsack auf. Dem Wohnungbausektor soll 2006 mit 6,5 Mrd. R$ unter die Arme gegriffen werden, zusätzlich soll der Bausektor weniger Steuern zahlen.

Die Private Public Partnership - Projekte, die man so schön PPP-P nennen kann, können endlich auch begonnen werden, die letzten Gesetzeshürden sind überwunden und der Weg ist frei, damit die Privatwirtschaft bisherige Staatsaufgaben übernimmt und wir, die Steuerzahler, unser Bestes geben können. Denn unsere Steuern haben wir bezahlt und nichts dafür bekommen und wenn jetzt eine Firma z.B. eine Autobahn übernimmt und saniert, dann will sie natürlich für die Benutzung Geld sehen. Das alte Lied, der Bürger zahlt alles zweimal. Die letzte Hürde war übrigens das Fehlen des Fundo Garantidor dos PPPs oder kürzer FGP, der jetzt offiziell geschaffen wurde.

Hoffentlich kann sich Joseph Stiglitz in Davos Gehör bei der brasilianischen Regierung verschaffen, der er vorwarf, nur an die Inflationsbekämpfung gedacht und nicht bedacht zu haben, daß die höchsten Realzinsen (Leitzinsen 12 % / Jahr real, also nach Abzug der Inflation, Schuldzinsen für den privaten Kontokorrentüberzieher aber über 8 % im Monat, ja, richtig gelesen, Monat!) der Welt zwar nicht zum niedrigsten Wachstum geführt, aber das Wachstum auch nicht gerade begünstigt zu haben.

Aber unser Zentralbankpräsident glaubt an 4 % Wachstum für dieses Jahr und zitiert Chile als Modelland, welchem Brasilien nacheifern sollte; eine Empfehlung, die ich aus eigener Anschauung bei der Durchführung von Standortuntersuchungen in lateinamerikanischen Ländern und einem dabei gemachtem Ländervergleich nur unterstreichen kann. Wer in Chile schon einmal importiert hat und dann in Brasilien, der weiß, wovon ich spreche. Aber die Brasilianer stehen im Ruf, Probleme zu schaffen, um sie nachher - gegen Bezahlung natürlich - zu beseitigen. Und daß sich unsere Politiker dagegen wehren, solche Angewohnheiten und damit Pfründe zu verlieren, ist verständlich. In Chile haben sie es auch gemacht, aber dort gab es einen Herrn Pinochet, der sich nicht viel darum gekümmert hat. Bleibt zu hoffen, daß wir das gleiche Ergebnis mit demokratischen Mitteln erzielen und recht bald!

Noch ein Wort zum Wachstum, die UNO ist nicht ganz so optimistisch wie der brasilianische Zentralbankpräsident und sagt 3 % Wachstum und 5 % Inflation für Brasilien voraus. Aber für Deutschland nennt die UNO 1,2 %, da sind wir doch immerhin etwas besser. Chile soll danach übrigens 5,5 % wachsen. Da wir auch Büros in Argentinien und Venezuela haben, will ich die UNO-Werte dieser Länder auch nennen. Die Inflation soll demnach in Argentinien 5,5 und in Venezuela 1,5 % erreichen, das Wachstum in Argentinien 6,0 und in Venezuela 5,5 %.

Das Motorrad ist das Auto des kleinen Mannes, mal abgesehen von Easy Rider - und vergleichbaren Modellen. In Brasilien war 2005 ein besonders gutes Jahr für die Motorradindustrie, 1,213 Mio. Motorräder wurden fabriziert, 12,3 % mehr als 2004. Und in diesem Jahr sollen es nochmal 6 % mehr werden. Ein Grund für die gute Entwicklung ist sicher der Standort der meisten Motorradfabriken in der Freihandelszone Manaus, aber ein anderer auch der Verkauf über sogenannte Consórcios mit Monatsraten von 70 R$, ca. 27 €. Das kann sich jeder Motoboy, so werden unsere Motorradboten genannt, leisten.

Damit sind wir beim Schuldenmachen. Das brasilianische Bankkreditvolumen für juristische und natürliche Personen betrug im Dezember letzten Jahres 606,8 Mrd. R$, was 31,3 % des BIP ausmacht. Das ist wesentlich mehr als am Anfang 2005, aber sehr wenig im Vergleich zu anderen Ländern, wo 100 % erreicht werden. Warum dies so ist, zeigt ein Blick auf die Jahreszinsen Ende vergangenen Jahres:

Zinsen für natürliche Personen:
- Überziehungskredit 147,5 %
- persönlicher Kredit 67,3 %
- Autofinanzierung 34,8 %
- sonstige Ratenkäufe 65,2 %

Zinsen für juristische Personen 31,7 %

Jetzt wissen wir, warum unsere Banker immer lächeln, nur lächeln...

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