20 April 2006

Was ist bloß mit meinem Kunden in Deutschland los?

Wer meinen Artikel „Sollen die Deutschen jetzt nach Brasilien auswandern?“ gelesen hat, kann jetzt meine Erklärung dazu lesen, warum unser Vaterland vielleicht so tief in der Misere steckt. Dazu Hinweise auf mögliche Ursachen.

Wir betreuen einen deutschen Kunden, der einige Tage in Brasilien weilt. Wir haben seine Reise vorbereitet, Termine und Hotelreservierungen gemacht, für Abholung vom Flugplatz gesorgt, haben auf einer Messe gedolmetscht und auch fachliche Beiträge bei seinen Akquisitionsbemühungen geleistet. Und dafür wollen wir natürlich ein angemessenes Honorar und den Ersatz unserer Auslagen, sehr oft z.B. für Inlandsflüge unseres Kunden, die wir reserviert und bezahlt haben. Und wenn wir dann eine Rechnung für von uns bereits bezahlte Beträge schicken, fängt das Warten an, nämlich auf den Zahlungseingang. Einige Firmen zahlen problemlos und sofort, andere brauchen einige (!!!) Monate für die Überweisung. Und reagieren noch unwirsch auf Mahnungen, die wir eigentlich immer sehr freundlich halten.

Ein Extremfall bezüglich der Behandlung von Kosten trat jetzt gerade auf. Ein Kunde, der dringend eine Referenz braucht, um für seine über 100.000 € teuren Anlagen einen Vertriebspartner zu finden, hat in Brasilien bisher nur einen einzigen Kunden, den aber am Vorzeigestandort Rio de Janeiro. Der Firmeneigentümer hat tausende von € mit einem von ihm auf einer teuren Delegationsreise (die tausende € beziehen sich auch auf diese Reise) gefundenen Vertriebspartner "verbraten", der sich als unbrauchbar herausstellte. Um einen Ersatz für diesen zu besorgen, wird eine Referenz gebraucht - in Rio vorhanden und dazu noch mit einer idealen Anwendung, die ich wegen der Identifizierung der Firma hier nicht nenne. Und diese Firma will die Kosten eines Fluges von São Paulo nach Rio und zurück nur tragen, wenn wir die Hälfte übernehmen! Und dieser Firma haben wir eine Anfrage aus Venezuela besorgt, ohne irgendwelche Akquisitionskosten.

Mit Geld haben es unsere deutschen Unternehmer häufig, das Problem nämlich, es sinnvoll auszugeben. Da wurden wir gerade gebeten, eine Messe zu besuchen und diese fachgerecht für den verhinderten Kunden auszuwerten sowie die gemachten Kontakte nachzuhalten. Und dann stellen wir fest, der Kunde ist keiner. Denn sowie dieser hörte, daß unsere Tätigkeit nicht kostenlos sei und wir auch nicht für eine Provision arbeiteten, sprang er ab, der Fastkunde! So nötig sei der Messebesuch eigentlich nicht.

Ein anderer Kunde schickt seinem neuen Händler Muster und läßt diese wieder abholen, trotz absehbarer Verkaufserfolge, weil die Bezahlung der Muster auf sich warten läßt. Dieser Unmut ist verständlich, aber die Radikalreaktion nicht, der Brasilianer setzt auf Dialog und nicht auf Konfrontation, die auch hier vorhandenen Betrüger mal ausgenommen, aber hier lag kein Betrugsfall vor, nur ein Mißverständnis. Übrigens wurde von uns ein Ersatz gefunden, dem dann, obwohl nicht er uns gesucht hatte, sondern wir ihn ansprachen, gesagt wurde, er sei doch nur auf das Geld der reichen deutschen Firma aus, (unausgesprochen: wie alle Brasilianer). Mit der anschließenden an mich gerichteten feinfühligen Bitte immerhin, diese Bemerkung lieber nicht zu übersetzen.

Wir neigen vielleicht in Brasiliern zu sehr dazu, zu glauben, daß unser Markt für unsere Kunden wichtig sei. Aber diese belehren uns eines Besseren, denn wie oft müssen wir Wochen auf ein Angebot warten! Und wie lange dauert es manchmal, einen Vertriebsvertrag unter Dach und Fach zu bringen, weil vom deutschen Partner keine Antwort kommt!

Und wie oft sind die Antworten ungetrübt von jeglicher Kompetenz! Da bekamen wir z.B. eine Rechnung für Muster für Handwerkzeuge mit Positionen wie 3 x 0,99 € = 3,00 € und auf unsere Reklamation hin wurde uns mitgeteilt, da hätte man eben aufgerundet. Wenn ich das dem Zollbeamten hier sage, lacht der sich tot. Und was nützt uns ein toter Zöllner? Schließlich soll er die Muster freigeben!

Ein anderes Beispiel, da kommt ein Exportleiter mit seiner Assistentin per Businessklasse nach Brasilien, geht in ein Fünfsternehotel und läßt sich von uns einen Vertreter vermitteln. Dieser verkauft in unserer Gegenwart zur Freude des Exportleiters auf einer Messe einen Container voll mit Konsumartikeln im Wert von ca. 25.000 €, leider aber an mehrere Einzelhändler und nicht an einen Großhändler. Und da der Exportleiter ausdrücklich einen Vertreter gesucht hat und keinen Importeur und der Vertreter natürlich nicht importieren will und der Exportleiter die Ware nur gegen Akkreditiv losschicken kann und die Einzelhändler für ihre 1.000 € - Aufträge keine Bankbürgschaft beibringen können ... Sie merken schon, wohin der Hase läuft! Ergebnis der ganzen Aktion war, daß nicht geliefert wurde, die Einzelhändler sich bei der flexibleren auch deutschen Konkurrenz eindeckten, der Exportleiter (planmäßig) pensioniert wurde und der Geschäftsführer seinen Job (nicht planmäßig) verlor, denn die Firma wurde kurz nach dieser Episode von einem nichtdeutschen Konkurrenten übernommen.

Purer Geiz oder freundlicher gesagt, das Sparen am falschem Platz, kein Mut zum kalkulierten unternehmerischen Risiko, machmal fehlende Kompetenz und Flexibilität, d.h. das rechthaberische oberlehrerhafte Beharren auf den eigenen Standpunkt, machen uns Deutschen das Leben oft unnötigerweise schwer. Und das wirkt sich natürlich in Deutschland aus, siehe FAZ.

Ich werde nächsten Montag in Campinas eine Vortrag vor brasilianischen Unternehmern halten, über die Art, mit Deutschen Geschäfte zu machen. Wenn ich ein Nestbeschmutzer wäre, könnte ich bei dieser Gelegenheit vom Leder ziehen. Aber keine Angst, ich werde von unseren Tugenden sprechen! Und die gibt es auch, glücklicherweise haben wir in der Mehrzahl Vorzeigekunden, deren Tugenden wir besingen können. Und das meine ich nicht ironisch. Und wenn Sie solche Kunden kennenlernen wollen, nennen ich Ihnen auch Namen, fragen Sie mich einfach! Aber fragen Sie nicht nach den anderen, die nenne ich natürlich nicht. Wie den der Firma, über deren Verlangen, einen Abnahmebeamten der Gesundheitsbehörde zum Geschäftsführer des Kunden zu bestellen, der gerade in Brasilien war, ich schon früher geschrieben habe.

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