25 November 2008

Ein Bild der Krise, die keine sein sollte

Zuerst hat unser (ich schreibe als Bewohner Brasiliens, wenn auch mit deutschen Pass) Präsident gesagt, die Krise überlasse er seinem Kollegen Bush. Jetzt befasst er sich notgedrungenermassen doch mit ihr. In seiner letzten Besprechung mit den Bundesministern in diesem Jahr am 24.11.2008 wurden zunächst  Ziele gesetzt:
  • PAC-Investitionswachstum 10 % (2008: 16 %)
  • Wirtschaftswachstum 4 %
  • IOF-Reduzierung für Not leidende Sektoren wie Kfz-Industrie, Agrarbereich und Bausektor (IOF = Imposto sobre Operações Financeiras)
  • Kreditlinie für Lieferanten von Ausrüstung für Förderung und Verarbeitung von Erdöl und -gas
  • unabhängiger Fond für Notfälle von 14 Mrd. R$ (Fond existiert noch nicht, muss vom Kongress genehmigt werden)
Außerdem soll die Bevölkerung per Anzeigen zum Konsum angehalten werden - Durchhalteparolen? Und natürlich soll das PAC-Programm  (Programa de Aceleração do Crescimento = Programm zur Beschleunigung des Wachstums) durchgezogen werden, es geht um Investitionen von 200 Mrd. R$ bis Ende 2010. Allerdings hat unsere Regierung mit der Umsetzung Probleme, nicht so sehr wegen des Geldes, sondern wegen fehlender Managementfähigkeiten. Aber Geld wird auch fehlen, 2009 wird der geschätzte Steuerausfall wahrscheinlich 8 Mrd. R$ betragen. D.h. die Regierung muss an's Eingemachte und wird sparen müssen. 

Und der Konsument? 2008 wird er zum Jahresende für eine Wachstum des Handels von 9,5 % gesorgt haben, 2009 wird es wahrscheinlich nur für 5 bis 6 % reichen, aber immerhin, Wachstum! Und KMUs merken noch nichts von der Krise, im Gegensatz zu den Konzernen, die ihre Investitionspläne z.Z. sorgfältig überarbeiten.  Unter anderem weil sie kein Geld mehr so leicht im Ausland aufnehmen können, denn Dollar und Euro sind knapp, man merkt es am Kurs.

Der Aktienkurs spiegelt übrigens nicht den Wert unserer börsennotierten Firmen wider, wer Geld hat, sollte Übernahmen realisieren.

Wer keines hat, sollte auf keinen Fall Schulden in Brasilien machen. Der mittlere Zinssatz für Bankkredite beträgt 45 % im Jahr, nämlich 59,8 % für natürliche Personen und 31,9 % für juristische. Das Kreditvolumen hat mit 1,187 Mrd. R$ trotzdem das Jahresziel von 40 % vom BIP der Zentralbank mit 40,2 % schon überschritten. 

Unsere brasilianischen Exporteure haben Grund zur Freude, weil der Real um 30 % schwächer ist als vor vier Wochen, aber die Importeure haben kein Geld, also was soll‘s? Aber unser Import wird natürlich teurer, d.h. wir müssen uns auf eine Steigerung der Inflationsrate einrichten. Und Brasilianer reisen natürlich weniger in's Ausland wegen des Wechselkurses, also freuen sich wenigstens die Hotelbesitzer in Brasilien.

Unsere Regierung hat weniger Grund zur Freude, die Auslandszahlungsbilanz ist negativ, z.Z. um fast 25 Mrd. US$. Letztes Jahr um diese Zeit hatten wir noch einen Überschuss von 3,5 Mrd. US$. Aber die Direktinvestitionen aus dem Ausland haben einen absoluten Höchstwert seit Beginn der Aufzeichungen 1947 durch die Zentralbank erreicht, per Oktober waren es 34,7 Mrd. US$! 

Noch ein Wort zum Ölpreis. Er ist gefallen wie nie, aber an den Zapfsäulen hat sich diese Reduktion bisher nicht bemerkbar gemacht!

2 Kommentare:

  1. Hallo Herr Naumann,
    was ist eigentlich der Grund, warum der Weltölpreis sich nicht an den Tankstellen in Brasilien bemerkbar macht. Wenn ich die (online)Zeitungen aus D oder CH lese, lese ich immer, das die Preise fuer Sprit gesunken sind. Wenn ich dagegen hier in Rio tanke, ist von einer Entspannung nichts zu merken.
    Was ist der Grund dafuer?
    Der hohe Dollarkurs?
    Gruss aus Rio
    Chris

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  2. Hallo Chris,

    Petrobrás importiert zwar trotz der vollmundigen Unabhängigkeitserklärungen der Firma und Lulas noch, aber unser Benzin kommt wirklich größtenteils aus brasilianischen Quellen, der Dollarkurs nimmt also keinen Einfluß. Es handelt sich also um einfache Gewinnsucht, gepaart mit der Erkenntnis, dass der Verbraucher am schwächeren Hebel sitzt.

    Danke für Ihren Kommentar,

    Karlheinz K. Naumann

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