15 Februar 2009

Wohin geht Lateinamerika?

Noch ein Wort zum vorherigen Beitrag über Konjunkturprogramme. Es wird geschätzt, dass in den USA faule "Wert"papiere für nominal 10,8 Billionen US$ ausgegeben wurden. Seit August 2007 hat die US-Regierung bereits ca. 2 Billionen US$ in das marode Finanzsystem injiziert und es werden wahrscheinlich weitere 4 nötig sein. Solche Werte sind nicht nur für den Normalbürger nicht vorstellbar, auch den Finanz"spezialisten" entziehen sie sich und wenn ein Politiker behauptet, er wisse, was solche Zahlen für ein Land und seine Bürger bedeuten, dann hat er seinen Cyrill Northcote Parkinson nicht gelesen. Dieser behauptet u.a. dass sich Vorstandsmitglieder stundenlang über die Kosten eines Fahrradständers streiten können, aber Großprojekte in Minuten abnicken, weil sie sich unter den damit verbundenen Summen sowieso nichts vorstellen können. 

Aber trotz aller Kritik an den USA oder besser gesagt, an den Verantwortlichen für DIE KRISE, zu denen auch die Kreditnehmer gehören, die hätten wissen können und in etlichen Fällen müssen, dass sie sich übernehmen, dies aber als the american way of life in Kauf genommen hatten, sei nicht verschwiegen, dass wir in Lateinamerika auch  unsere eigenen hausgemachten Probleme haben:

MEXIKO wurde von 1929 bis 2000 von der PRI regiert, der Partei der institutionalisierten Revolution. Was von Parteien zu halten ist, die sich so nennen, kann jeder für sich entscheiden, der in einem Land wohnt, wo die freie Meinungsbildung und -äußerung nicht verboten ist. Calderón, der 2006 gewählte Präsident des Landes, scheint jedenfalls den Kampf gegen das organisierte Verbrechen und insbesondere den Drogenhandel schon verloren zu haben.

KOLUMBIEN leidet seit den vierziger Jahren unter den Drogenbossen und ihren Machenschaften. Die Regierung hat in einigen Landesteilen die Hoheitsgewalt an die Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia abtreten müssen. Trotzdem wird das Land demokratisch regiert und der 2002 gewählte Präsident Uribe hat die Verfassung geändert, um sich wiederwählen zu lassen.

EKUADOR hat es fertiggebracht, seit 1997 drei Präsidenten in Tumulten abzusetzen, wobei diese die Amtsenthebung durchaus verdienten. Deutsche Konzerne verließen Ekuador und gingen in's benachbarte Kolumbien, was zeigt, wie es um Ekuador bestellt war. Das Land hat übrigens die eigene Währung abgeschafft und, während ich gerade mit meinem Partner Christian V. Schmehlik im Lande war, den US-Dollar eingeführt. Das wäre vielleicht die Lösung für Brasilien, um weniger Wechselkursprobleme zu haben. Der 2006 gewählte Präsident Correa hat es über eine Verfassungsänderung geschafft, sich wiederwählbar zu machen.

PERU war von 1968 bis 1992 eine Militärdiktadur. Präsident Alberto Fujimori löste 1992 das Parlament auf, musste aber 2000 trotzdem nach Japan flüchten, weil ihm im eigenen Lande wegen schwerer Korruptionsvorwürfe der Prozeß gemacht werden sollte. Der heutige Präsident heißt Alan García.

BOLIVIEN hatte zwischen 1978 und 1982 zehn Präsidenten. Seit 2002 traten zwei zurück. Der Indio Evo Morales schaffte es wie Lula, vom Gewerkschaftsführer zum Präsidenten aufzusteigen. Auch Morales änderte die Verfassung, um sich wiederwählbar zu machen. Ich war gerade im Lande, als der deutschstämmige Präsident Hugo Banzer wegen seiner Krebskrankheit, der er inzwischen erlag, einen Admiral mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragte. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Bolivien nicht am Meer liegt, aber der Teil des Titicacasees, der auf bolivianischem Gebiet liegt, sorgt für die Berechtigung eines Admiralspostens.  Morales' Lehrmeister ist der Präsident Venezuelas und dies und die Enteignung der bolivianischen Petrobrás-Niederlassungen sind eine Quelle des Unbehagens für Brasilien.

PARAGUAY  hatte mit General Strössner auch einen deutschstämmigen Diktator,  er regierte das Land von 1954 bis 1989. Ein Präsident entkam einem Staatsstreich, ein anderer dankte unter dem Verdacht ab, einen Rivalen getötet zu haben.

CHILE versuchte mit Allende den Sozialismus einzuführen, was Pinochet durch einen Coup vereitelte. Zunächst von 1973 bis 1989 als Diktator regierend, stellte er sich anschließend erfolgreich dem Wählerwillen.  Seitdem werden die Präsidenten demokratisch gewählt, z.Z. regiert die Ärztin Michelle Bachelet das Land, welches von Pinochet so erfolgreich entbürokratisiert wurde, dass man es auch das Preussen Südamerikas nennt. Eurolatinas Partnerbüro in Valparaíso wird von den Gebrüdern Medo geführt.

ARGENTINIEN wird seit den dreissiger Jahren abwechselnd von Populisten und Militärs regiert. Die früheren Präsidenten Perón und Menem ließen die Verfassung ändern, um sich wiederwählbar zu machen. Zur Zeit wird das Land - nicht sehr erfolgreich - von  Cristina Fernández de Kirchner regiert, die im Amt des Präsidenten Nachfolgerin ihres Mannes ist. Meine Firma Eurolatina hat ein Büro in Buenos Aires, wo mein Partner Christian V. Schmehlik aus Madrid die Situation hautnah beobachtet und unsere Kunden in Europa auf dem Laufenden hält.

URUGUAY litt ebenfalls darunter, von 1973 bis 1984 eine Diktatur gewesen zu sein. Erst der 2004 gewählte linksgerichtete Präsident Tabaré Vázquez schaffte es, der 170 Jahre alten Fehde zwischen colorados und blancos ein Ende zu setzen.

BRASILIEN ist, was Diktatur und linken Präsidenten angeht, keine Ausnahme. Von 1964 bis 1985 wurde das Land von einer Militärdiktatur regiert, wobei der vorletzte Präsidentengeneral Geisel wie seine Kollegen in Paraguay und Bolivien deutscher Abstammung war. Der erste zivile Präsident nach der Diktatur, Sarney, erbte das Amt als Vizepräsidenten des gewählten Präsidenten Tancredo Neves, der noch vor seiner Vereidigung an einer - wie die Brasilianer meinen -  schlecht erklärten Krankheit starb. Der anschließend 1989 gewählte Präsident Collor de Mello dankte nach zwei Jahren ab, um der Amtsenthebung wegen Korruption zu entgehen. Sein Vizepräsident übernahm, dessen Wirtschaftsminister Prof. Cardoso 1997 gewählt wurde,  der der chronischen Inflation, die unter Sarney 80 % im Monat erreicht hatte, ein Ende machte. Sarney hatte es geschafft, seine vierjährige Amtszeit auf fünf Jahre verlängern zu lassen, Cardoso ließ die Verfassung ändern, um daraus zweimal vier Jahre zu machen. Der jetzige Präsident Lula ist in der zweiten Amtszeit und es wird ihm nachgesagt, dass auch er gerne die Verfassung ändern würde, um ein drittes Mal zu regieren.

VENEZUELA macht heute die Nagelprobe, in einem Referendum will Chávez, der Oberst der Fallschirmjägertruppen und seit 1998 gewählter Präsident, erreichen, dass er unbegrenzt im Amt bleiben kann, um die Sozialistische Republik Venezula dauerhaft zu regieren.  1992 hatte der Oberst versucht, über einen Staatsstreich Präsident zu werden - erfolglos. 2000 bekam er durch eine Verfassungsänderung das Recht für zusätzliche sechs Amtsjahre und wurde 2006 wiedergewählt. 2002 sollte er gestürzt werden, kehrte aber wie der Phönix, der aus der Asche aufersteht, wieder in's Amt zurück.  In Caracas vertritt unser Hamburger Eike Ingo Friese die Belange Eurolatinas.

AKTUALISIERUNG: Chávez hat es geschafft, eine knappe Mehrheit hat ihm die Moeglichkeit gegeben, sich unbegrenzt wiederwaehlen zu lassen. 

Die große Frage ist, sind wir in Lateinamerika jetzt auf dem richtigen Weg? Nur die Zukunft wird es uns weisen! Wobei der Leser es mir nachsehen möge, dass ich die zentralamerikanischen Länder, Surinam und die Guyanas hier nicht kommentiert habe.

Eines scheint sicher zu sein, Brasilien ist sehr gut gegen die Auswirkungen DER KRISE gewappnet, selbst wenn wir dieses Jahr nur 1 oder 2 % wachsen, bedeutet dies mit den Wachstumsraten zum Jahresende ein Wachstum von 4 oder 5 % im nächsten Jahr, in dem wir (ich nicht) den Nachfolger Lulas wählen. Und Brasilien hat ähnlich wie die USA bereits einen Binnenmarkt, der groß genug ist, um einen Rückgang des Exportes ertragbar zu machen.

1 Kommentar:

  1. Zumindest betreffend Peru enthält diese "Analyse" einige Fakten-Fehler:

    Weder löste Fujimori 1992 das Parlament auf, noch flüchtete er 2000 nach Japan. Die Flucht nach Japan war Jahre später, zudem weilt er schon längst nicht mehr dort. Immerhin stimmt die Information, dass der heutige Präsident Alan García heisst.

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