20 September 2015

Mich würde interessieren ob der Hauptgrund für die aktuelle Lage Brasiliens in der Wirtschaft, Politik oder beidem gesehen werden sollte.

Diese berechtigte Frage stellte mir Robert Tuschlau und ich werde versuchen, sie zu beantworten. Und, weil Herr Tuschlau auch die Frage nach meinen Quellen stellte, werde ich an meiner Stelle bekannte Politiker, Journalisten und Industriekapitäne sprechen lassen und "dem Volk auf's Maul schauen".

"Dilma ist einfach ein Trampel - A Dilma é simplesmente uma trapalhona" sagt z.B. Delfim Netto. Sie "sei ehrlich, aber ihre Sicht Brasiliens habe nichts mit dem Land zu tun", ihr "Haushaltsvorschlag sei barbarisch" und, es kommt noch schlimmer, "das Steuerpaket sei ein Betrug". Und er muss es wissen, lesen Sie, was bei Wikipedia über ihn steht: "Antônio Delfim Netto is a Brazilian economist, former Minister of Finance, Agriculture, and Planning of Brazil, professor and congressman. During his incumbency as Minister of Finance of Brazil, the country experienced the so-called Milagre Econômico (the Economic Miracle), a time of unprecedented economic growth."

Cristiano Romero, executive editor der renommierten Wirtschaftszeitung VALOR ECONÔMICO, schreibt dazu: "Not even the tragic loss of the investment-grade rating, with its tough consequences on the real economy, seems to have bestowed on the government of President Dilma Rousseff the necessary sense of urgency to fight the severe crisis sweeping the country." Und führt weiter aus: "Ms. Rousseff resists carrying out budget cuts, especially in the programs she created or that were her political brainchildren in Mr. Lula’s second term. The best examples of this are housing program My House, My Life and the Growth Acceleration Program (PAC). In both cases, instead of simply eliminating expenditures that can’t be made now, the president transferred them to other sources. This solution is not serious." Er sieht die augenblickliche Situation Brasiliens als eine Tragödie und erklärt "Ms. Rousseff is hostage of the speech that re-elected her. She wants to believe that the country is in trouble now because her government, correctly, took the decision to adopt a host of measures to protect investments and jobs from the effects of the "international crisis" between 2011 and 2014. This speech is as fake as a three-real bill: even with the abundant credit and the mountain of subsidies granted by the Brazilian Development Bank, the forced drop of the interest rate, the coordinated devaluation of the exchange rate, the reduction of public sector savings and tax cuts, businesspeople have cut back investments, concerned about the economic policy’s inconsistencies. Jobs, in turn, were only maintained thanks to an irresponsible policy of income-transfer and stimulus to consumption, which now charges its price.    ...    Today in Brasília everything is very precarious, because Ms. Rousseff does not convey confidence neither to her aides. Politically, with the economic situation in frank decay, things tend only to get worse. The situation is unpredictable, but as the failures accumulate and the economy sinks, the expectation of extraordinary events such as impeachment, resignation etc. grows."

Und was hält die Presse sonst von den "Einsparungen"?
Die Kürzungen der Regierung links (Finanzminister) und die der Bevölkerung rechts (Planungsminister)
Und eingespart werden kann an vielen Ecken und Kanten, siehe diesen Vergleich:
Wieviele Mitarbeiter hat eigentlich das Bundeskanzleramt? Meines Wissens 620, also mehr als dem Präsidenten der USA zuarbeiten, aber nur 13 % des Stabes von Dilma!
Selbst der Vorgänger Dilmas, Lula, rückt von seiner Nachfolgerin, die ihr Amt letztendlich ihm zu verdanken hat, ab. Dazu schreiben Cristiano Romero, Andrea Jubé und Fernando Taquari unter der Überschrift "Lula pressures for change in economic policy to secure party base" im VALOR ECONÔMICO: "Former president Luiz Inácio Lula da Silva decided to openly criticize the government’s economic policy for two reasons: President Dilma Rousseff herself doesn’t show conviction regarding the fiscal-adjustment policies and the so-called social base of the ruling Workers’ Party (PT) is against the belt-tightening. “Lula is taking a position, ensuring the social base and the PT,” a person close to the former president said."

Wer Portugiesisch versteht, sollte sich den "Thriller do Impeachment" ansehen! Und selbst ohne Portugiesisch ist der Film ein Genuss!

Und wer ist der Schuldige an der Misere? Eine mir unbekannte Quelle hält den Brasilianern den Spiegel vor:

DAS PROBLEM BRASILIENS sind nicht die Politiker? Das Problem Brasiliens BIST DU!

  • der nicht studieren will
  • der nicht liest
  • der sich über den Montag beschwert
  • der nicht arbeiten will
  • der nur an Feiertage denkt
  • der nur über Fußball spricht
  • der nur unmoralische Musik hört
  • der vom Bolsa Familia - Programm leben will
  • der zu faul ist, früh aufzustehen
  • der nicht zu Wählen weiß
  • der nicht über Politik diskutiert
  • der sich nur zu beklagen weiß
  • der keine Initiative hat
  • der Abfall auf die Straße wirft
  • der sich einen Dreck um die Zukunft Brasiliens sorgt
Affonso Celso Pastore, ehemaliger Zentralbankpräsident Brasiliens, sieht die Regierung genau so kritisch wie Delfim Netto. In einem Interview mit dem O ESTADO DE SÃO PAULO sagt er, dass Wachstum nur mit einer neuen Regierung wieder erlangt werden kann. Das Land brauche Strukturreformen, aber es gebe von der Regierung Dilma keinerlei Signal, dass diese beabsichtigt seien.

Der Präsident von Whirlpool für Lateinamerika in Brasilien, João Carlos Brega, wurde kürzlich vom O ESTADO DE SÃO PAULO interviewt. Selbst in der TRIBUNA ARARAQARA kann man darüber lesen. Unter anderem führte er aus, dass das Land eine Glaubwürdigkeitskrise lebt und kritisiert den Ausweg aus der Krise über Steuererhöhungen. "Wie in jeder Firma muss die Anpassung über die Ausgaben gehen. Es gibt keine Wunder, die Gleichung der Steuern hat ihre Grenzen erreicht." Er sieht ganz klar die Verantwortung für die Krise bei der Politik und nicht bei der Wirtschaft: "Tinha um ajuste que precisava ser feito, mas o problema do Brasil não foi o ajuste. O que aconteceu foi uma crise política que contaminou a economia e, pelo tempo que está demorando, virou crise de credibilidade e de confiança. Hoje, o problema é confiança. - Es gab eine nötige Anpassung, aber das Problem Brasiliens war nicht die Anpassung. Was passierte, war eine politische Krise, die die Wirtschaft angesteckt hat, und wegen der Zeit, die sie andauert, wurde sie eine Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise. Heute ist Vertrauen das Problem."

Zur Fähigkeit Dilmas, das Land zu regieren, wurde schon früher geschrieben, z.B. am 31.8.2010 in der VEJA von Reinaldo Azevedo. Hier steht unter der Überschrift "Die skandalöse Erklärung Dilmas, warum es ihr noch nicht einmal gelang, ein 1,99 R$ - Lädchen zu führen. Sie liefert gelogene Daten über die Wirtschaft des Landes. Ich beweise dies!"

Demonstranten in Sao Paulo: Sie protestieren gegen die Politik von Präsidentin Dilma Rousseff.  (Bild: ap / Text: TAZ)
Zum Schluss noch - mit Blick auf die Weimarer Republik -  der Hinweis, dass Brasilien jetzt 33 zugelassene Parteien hat. Vor einigen Tagen wurde nämlich die PARTIDO NOVO registriert, die sich auf die Fahne geschrieben hat, liberal zu sein und den Staatseinfluss zurückzudrängen. Sie wurde von Bürgern gegründet, die unzufrieden mit ihrer Steuerlast sind und mit dem, was sie dafür vom Staat als Gegenleistung erhalten.

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