01 Mai 2016

Man kann es nicht jedem recht machen

Mein post 

Staatsstreich in Brasilien? Oder Rettung in höchster Not?

hat erwartungsgemäß meinem früheren Nachbarn M.I. nicht gefallen. Seine erste Reaktion habe ich am 22.4.2016 veröffentlicht. Anschließend schrieb er mir diese Erwiderung:

"Ich habe herzlich gelacht, als ich ihre Replik auf meine Anmerkungen gelesen habe. Das fängt schon bei der Überschrift an.

Natürlich sind in einer Demokratie geteilte Meinungen erlaubt - nur zeigt sich gerade, dass Brasilien gar keine solche hat. Sonst würde man - auch wenn es weh tut - das Wählervotum akzeptieren. Ich weigere mich zu glauben, dass Sie der Meinung sind diese Abwertung eines so schwerwiegenden Prozesses wie eines Impeachment sei gut für die Demokratie. Wo wollen Sie die Grenze ziehen? Für welchen banalen Grund muss der nächste gehen? Weil er in der falschen Freikirche ist? Sie leben von Geschäften mit Brasilien, was glauben Sie welchen Eindruck dieses Gezetere - ja, und auch das selbstverliebte Gebahren des Herren Moro - auf potenzielle Investoren und damit potenzielle Kunden Ihres Unternehmens hat?

Ich kenne Brasilien gut genug, um mir mein Urteil zu bilden. Auch ich bin in die Fänge der korrupten Justiz gekommen - unschuldig. Wissen Sie, wie man sich fühlt, wenn einem das Telefon abgehört wird? Wenn man mit Kontakten in Deutschland Geschäftliches bespricht, darin seine Besorgnis über die falschen Ansätze der PT-Regierung spricht, dann am nächsten Tag mit Klage bedroht wird von Leuten, die heute laut "PT fora" schreien? Es ist ein billiger juristischer Taschenspieler-Trick, jetzt zu sagen, dass es keine Leitung der Präsidentin war, die abgehört wurde. Selbst wenn: In dem Moment, in dem klar war, dass es sich um die Präsidentin handelt, hätte die Aufzeichung abgebrochen werden müssen (und können). In der Öffentlichkeit hat so etwas schon gar nichts zu suchen - es sei denn man will zu Protesten aufwiegeln, was Moro und die Opposition wollen.

Am lautesten habe ich übrigens gelacht, als ich Ihre Anmerkungen zu "einseitigen Journalisten" gelesen habe. Lieber Herr Naumman (ich heiße übrigens NAUMANN), seit wann leben Sie in Brasilien? Ich kenne das Land durch eigenes Erleben fast 30 Jahre (bei mir sind es 33 Jahre) und weiß: In Brasilien wird niemand Präsident und bleibt niemand Präsident, den Globo nicht will. Und jetzt kommen Sie mir mit einseitigen Journalisten. Diejenigen, die ihre Meinung vertreten haben, dass es nicht einem Rechtsstaat entspricht, was man mit Dilma macht, wurden angegriffen - nicht verbal, nein physisch. Noch ein Hinweis auf die "Demokratie" in der Sie glauben zu leben.

Sie führen wieder, ähnlich der tibetanischen Gebetsmühle und ähnlich der Globo-Medien auf, dass es die PT war, die die Korruption in großen Stil eingeführt hat. Ich bin kein PT-Freund, habe ich auch nie behauptet, aber ich kenne die Familie Sarney (der gehört nicht zur PT), ich weiß von den Konten des Herrn Cunha (PMDB), kenne die Geschichte der Haartransplantation von Renan (PMDB), kenne die Geschichte der Metro in Sao Paulo (Alckmin, Serra - PSDB). Also machen Sie sich doch nicht lächerlich. Wie viele Brasilianer auch suchen Sie einen Sündenbock, das ist jetzt Dilma. Wie viele Brasilianer hoffen Sie auf bessere Geschäfte unter einer neuen Regierung. Wird nicht so kommen. Zunächst mal gehen die Steuern hoch, noch höher. Das sollten Sie auch wissen.

Man hat jahrelang Lula toleriert, weil man gute Geschäfte gemacht hat. Ich habe schon vor sechs, sieben Jahren gesagt: Das geht nicht mehr lange gut. Ist übrigens aktenkundig. Nicht nur, weil ich abgehört wurde, sondern auch, weil ich das in Gastkommentaren für deutsche Medien geschrieben habe. Schon damals war klar, dass ein Wirtschaftswachstum, das auf privatem, kreditfinanzierten Konsum und Rohstoffen basiert nicht belastbar ist und irgenwann die Blase platzt. Damals hätte man etwas tun können. Man hätte die Bevölkerung davon überzeugen können, dass etwas falsch läuft. So wie man das halt in demokratischen Staaten macht. Hat man aber nicht, man hat ja gut verdient an Lula. Damals war es übrigens Marina, die gesagt hat, wir müssen darauf achten nicht schnell, sondern solide zu wachsen. Hat keiner drauf gehört.

Ich muss nochmal zurückkommen auf Ihre pauschale Journalistenschelte. So etwas aus Brasilien zu hören ist eine Beleidigung für einen ganzen Berufsstand. Es gibt in keinem Land der Welt dermaßen viel "Gefälligkeitsberichterstattung" wie in Brasilien. Denken Sie mal drüber nach, wen Sie da alles auf das Niveau einer Parteizeitung setzen. Ich bin mit meiner Meinung nicht allein. Die angelsächsischen, die US-amerikanischen Wirtschaftsmedien sind auf meiner Seite (Auch hier gibt es gegenteilige Stimmen, lesen Sie selbst: "Imprensa estrangeira faz críticas à política brasileira, mas não chama impeachment de golpe"). Und es sind honorige Journalisten dabei, deren größter Vorteil es ist nicht von Globo bezahlt zu werden.

Das was allgemein in der Geschäftswelt als "Public Relations" bekannt ist, heißt in Brasilien "Propaganda" und das ist es auch.

Ich habe eine Wette mit einem Journalisten gewonnen, der über das Börsengeschehen berichtet. Es ging um Eike Batista, der fand ja die PT auch ganz toll. Als der so stark aufstieg - damals fanden Sie Alexander Busch vom Handelsblatt sicher gut (ich nicht, ich habe ihm immer vorgeworfen der Pressesprecher von Lula zu sein), weil der Batista hochjubelte - habe ich gesagt: "Batista hat gar nichts, außer einer guten Abteilung für Investor Relations". Hat gestimmt, oder? Es hilft, wenn man selber als Journalist gearbeitet hat. Dann kann man die guten, von den schlechten Journalisten unterscheiden. Und nicht immer ist der ein schlechter Journalist, der nicht meiner Meinung ist.

So, und genau so, ist das in einer Demokratie. Da ist die Presse die vierte Macht im Staate.

Ich kann es nur nochmal sagen: Ich bin stolz darauf, wenn ich der Einzige bin, der Ihre "Lobhudelei zum eigenen Vortei" (eben Lei de Gerson) nicht gutheißt. Damit, lieber Herr Naumann, kann ich sehr gut leben.

Mit immer noch freundlichen Grüßen
M.I."

Heute hat er auf meinen letzten post, dessen Überschrift ich oben zitierte, diese Zeilen geschickt:

"Was bezahlt Ihnen Temer eigentlich dafür, dass Sie Werbung für ihn machen? Das ist sowas von lächerlich. Auch der adipöse Herr in dem Video: Der fürchtet um seine Pfründe und motzt jetzt rum. Keinem geht es um das Land, jedem um den eigenen Geldbeutel. Ich weiß, dass können Sie hier nicht sagen, dann würden Sie Ihre potenziellen Kunden verschrecken. Aber wir sagt der deutsche Kabarettist Dieter Nuhr: "Wenn man nichts zu sagen hat, einfach mal den Mund halten." Das ist nur noch lächerlich auf die "Linke" zu schimpfen. Vor allem, wenn die Medienmacht in Brasilien bei Globo liegt und Roberto Marinho den Grundstein zu seinem Netzwerk dadurch erlangt hat, dass er den Militärs in den selbigen gekrochen ist. Sie mögen - wie Sie ja in der Beantwortung meiner ersten Anmerkungen geschrieben haben - Ihre treuen Fans damit beeindrucken können, bei mir sorgt das nur für Kopfschütteln. Ich kenne die Seele der Brasilianer, schon als Lula Präsident gewesen ist, hatte ihn keiner gewählt. Ist so wie mit McDonalds, da isst auch keiner und die Läden sind voll. Ich lese jeden Tag was da so vorgeht - und zwar die rechten brasilianischen Medien genauso wie die ehrlichen aus anderen Ländern."

Ich kann meinen Leser beruhigen, ich gebe hier meine persönliche Meinung wieder, für die mich niemand bezahlt, im Gegensatz zu den Bloggern, die pro - Dilma schreiben und dafür Geld erhalten. Und was hat der Leibesumfang des "Herrn in dem Video" mit dessen Meinung zu tun? Und warum will mein Blogleser mir den Mund verbieten? Gehen ihm die Argumente aus? Und was ist falsch an "rechts"? Und warum wird "rechts" mit unehrlich gleichgesetzt? 

Als Berliner, der 1944 geboren wurde und deshalb die Teilung der Stadt hautnah miterlebt hat, z.B. den Aufstand der Bauarbeiter am 17. Juni direkt unter dem Balkon der Wohnung, in der ich damals als Schüler wohnte, und den Mauerbau und der zunächst in der "Hauptstadt der DDR" aufwuchs und dann das Glück hatte, im freien Teil Berlins leben zu dürfen und den Mauerfall als großes Glück empfang, bin ich äußerst allergisch gegen sozialistische und kommunistische Tendenzen und diese Einstellung werden auch die bisher einzigen negativen Reaktionen auf meine aktuelle Berichterstattung nicht ändern. Aber wie ich schon schrieb, jeder darf seine eigene Meinung haben. Deshalb sollten Sie auch lesen, was mir heute ein ehemaliger von mir sehr geschätzter Kunde per link schickte: Nach Platzen der Regierungskoalition droht Präsidentin Roussef die Amtsenthebung - World Socialist Web Site
Mir hat vor allem dieser Teil gefallen: 
Bestätigt er doch mein Vorurteil, dass Sozialisten nicht mit Geld umgehen können. Die WSWS sollte mal mit Dilma sprechen, hier in Brasilien bekamen z.B. die Gewerkschaften 2015 folgende Regierungsmittel:
  • CUT: 50,1 Mio. R$
  • Força Sindical: 47,4 Mio. R$
  • UGT: 44,3 Mio. R$
  • CTB: 13,5 Mio. R$
  • NCST: 25,0 Mio. R$
  • CSB: 8,1 Mio R$
Über die Verwendung dieser Mittel brauchen sie, Lula sei Dank, keine Rechenschaft abzulegen. Und man sollte wissen, dass in Brasilien jeder Arbeiter oder Angestellte einen Tag arbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden - das Geld für diesen Tag erhalten die Gewerkschaften, unabhängig davon, ob der "Spender" Gewerkschaftsmitglied ist oder nicht. 

Und weil mein kritischer Blogleser danach fragte, ich bin 1978 nach Brasilien gekommen und habe seitdem mit einer Unterbrechung von 5 Jahren, die ich in Südafrika und Mexiko als Geschäftsführer von Automobilzulieferfirmen verbrachte, hier gelebt. Das sollte ausreichen, um sich eine - wenn auch gegensätzliche Meinung - über Brasilien zu bilden. Und ich habe in dieser Zeit hunderte von brasilianischen Unternehmern und Firmenmitarbeitern vom Geschäftsführer bis zum Pförtner kennengelernt und kenne deren Meinung zur aktuellen Lage des Landes. Und ich habe selbst erlebt, dass meinen Mitarbeitern 1979 der Zugang zu der von mir geleiteten Fabrik von Lula und seinen Streikposten verwehrt wurde. Der Lula, der nach neuesten Berichten schon damals monatliche Zuwendungen von Firmen erhielt, was ich übrigens verdamme, sowohl das Geben als auch das Nehmen.

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